Thermophysiologische Modelle
Zu jedem Zeitpunkt befindet sich der Mensch in einem Wärmeübergangsprozess mit seiner Umgebung, der sein thermisches Empfinden prägt. Obwohl dieser Satz zunächst trivial klingt, ist es die Abbildung des dahinterstehenden Sachverhaltes keineswegs. Angetrieben durch den Metabolismus produziert der menschliche Körper kontinuierlich Wärme. Gleichzeitig ist der Mensch ein homoiothermes Wesen, dessen Organismus das Ziel einer möglichst konstanten Körperkerntemperatur von etwa 36,5 °C verfolgt (Choi und Loftness 2012), so dass die erzeugte Wärme im Sinne der Energieerhaltung an die Umgebung abgegeben werden muss (Butera 1998). Durch die Interaktion der unterschiedlichen durch die Umgebung getriebenen Wärmeübertragungsmechanismen Konvektion, Strahlung und Leitung mit der getragenen Bekleidung und den körpereigenen Thermoregulationsmechanismen wie Gefäßverengung und Kältezittern im Kalten oder Gefäßerweiterung und Schwitzen im Warmen, resultiert der Versuch einer Vorhersage des menschlichen Empfindens in Bezug auf seine Umgebung zu einer hochkomplexen Aufgabe. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich im Laufe der letzten 50 Jahre ein selbstständiges und stetig wachsendes Forschungsgebiet der thermophysiologischen Behaglichkeitsmodellierung herausgebildet hat, dem mittlerweile eine Vielzahl an Modellen entsprungen ist, mit dem Ziel, eine Vorhersage des thermischen Empfindens von Menschen unter verschiedenen thermischen Umgebungsbedingungen zu ermöglichen (Fiala et al. 1999).
Bei einer Betrachtung der Historie, lassen sich bereits im Jahr 1775 Untersuchungen zur Widerstandfähigkeit von Personen in heißen Umgebungen finden (Blagdan 1775). Erste Ansätze zur Abbildung des menschlichen Körpers als thermodynamisches System werden 1911 auf Lefevre zurückgeführt, der den menschlichen Körper als Kugel mit einem wärmeproduzierenden Kern beschrieb, deren Hülle wiederum Wärme an die Umgebung abgibt (Fu 1995). Im Jahr 1934 publizierte Burton ein erstes mathematisches Modell mit menschlicher Anatomie und einem Kontrollsystem. In den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten entstanden bis zur heutigen Zeit diverse weitere Modelle. Als Ausgangsdaten zur Modellbildung stehen diesen ebenso zahlreiche messtechnische Untersuchungen gegenüber, welche in vielen Fällen zusätzlich mit subjektiven Bewertungen verbunden sind. Trotz dieser Vielzahl an Untersuchungen ist der Bereich der thermischen Behaglichkeit aus wissenschaftlicher Sicht noch längst nicht vollständig erklärt. So lassen sich in jüngster Zeit eine Reihe an Literaturübersichten zu diesem Thema finden, die jeweils auch eine Reihe an thermophysiologischen Modellen beschreiben (Parsons 2014; Mishra et al. 2016; de Dear et al. 2013; Djongyang et al. 2010; Foda et al. 2011; Cheng et al. 2012; Rupp et al. 2015; Havenith und Fiala 2015). Eine Übersicht zur Historie der thermophysiologischen Modelle liefert zudem (Katić et al. 2016). Obwohl hier festgestellt werden kann, dass zurzeit eine Vielzahl von unterschiedlichen Modellen existieren wird deren universelle Validität bezweifelt, da die Modelle in der Regel nur für einen bestimmten Anwendungsfall und mit den Messdaten des Modellerstellers verifiziert wurden (Fiala et al. 1999; Foda et al. 2011).
Im Kontext des Klimawandels und des Anteils des Gebäudesektors am Primärenergieverbrauch besteht das überwiegende Ziel der aktuellen Forschungsaktivitäten darin, diese Modelle bei dem Entwurf, der Planung und dem Betrieb von Gebäuden zu nutzen, um die konträr gegenüberstehenden Faktoren Nutzerkomfort und Energiebedarf zu optimieren (de Dear et al. 2013).